28. Februar 2020 /

GastautorIn

Fantasy schreiben – von Werwölfen und Weltenbau

Schloss im Nebel

Drachen, Hexen, schwertschwingende Helden, Vampire, Werwölfe, Weiße Wanderer … Romane mit Wesen dieser Art gehören zum Genre der Fantasy, aber was gehört noch dazu? Große Schlachten? Heiße Küsse? Zauberei? Unsere Gastautorin Marie Mönkemeyer fasst für euch alles zusammen, was ihr wissen solltet.


Was macht Fantasy aus?

Ganz platt gesagt umfasst Fantasy alle Romane, Kurzgeschichten, Filme und Serien mit übernatürlichen Dingen. Dabei ist es egal, ob es um ein Zauberer-Internat in der Gegenwart geht oder in eine mittelalterlich angehauchte Welt voll Elfen und Zwerge. Magie ist dabei eine sehr übliche Zutat, aber ausgeprägte Zauberei ist keineswegs ein Muss, auch ein Roman über vollkommen unmagische Gestaltwandler und Orks gehört zur Fantasy. (Wer mir jetzt erklären will, Fantasy ohne Magie ginge nicht, soll mir mal bitte darlegen, wie viel im Herrn der Ringe tatsächlich gezaubert wird, Artefakte und Ringe außen vor).

Die Wurzeln der Fantasy liegen in der Mythologie und der Sagenwelt, so hat beispielsweise Tolkien unter anderem auf die Beowulf-Saga zurückgegriffen, und auch heute bedienen sich zahlreiche AutorInnen mythologischer Elemente. Als Genre zerfällt Fantasy in zahlreiche Unterarten, die nicht immer alle klar abzugrenzen sind und eine große Bandbreite abdecken. Die bekanntesten Subgenres sind High Fantasy und Urban Fantasy. Ersteres umfasst mittelalterlich anmutende Welten voller Schlachten, Drachen und tapferer Helden, während letzteres übernatürliche Wesen und Kräfte in einer Variante unserer Welt ansiedelt.

Die perfekte Welt

Fantasyromane spielen nicht in der wirklichen Welt, sorry, aber ich befürchte, es gibt keine Werwölfe in Wien. Einige AutorInnen streuen nur wenige übernatürliche Elemente und Wesen in unsere Realität ein, während viele ihre Geschichten in vollkommen anderen Welten spielen lassen.

Beides, die Abwandlung als auch eine Eigenkreation, ist eine Menge Arbeit, die zusätzlich zum eigentlichen Planen, Schreiben und Vermarkten anfällt.

Besonders beliebt ist es, eine oder auch zwei Mythologien oder historische Epochen zu nehmen, sie in den Mixer zu stecken und gut durchzurühren. Oft wird auch noch eine Reihe nicht-menschlicher Spezies wie beispielsweise Zwerge, Werwölfe oder Orks und andere Kreaturen wie Drachen, Phönixe oder Einhörner ergänzt.

Bei Bedarf gehört noch eine Portion Magie mit in den Mixer, auch wenn diese oft dazu neigt, sich während des Schreibens zu verselbstständigen. Eingestreut um Hauptfiguren und Schurken mit besonderen Kräften ausstatten, soll sie plötzlich auch noch Logikfehler wie fehlende Stadtkanalisationen oder die Versorgung einer Kerkerfestung auf einem einsamen Berggipfel erklären.

Dabei ginge es besser. Wenn jedoch Magie nicht als Dauer-Lückenfüllerin herhalten soll, ist der Weltenbau beim Schreiben als auch Planen eines Romans deutlich aufwändiger. Apropos Zauberei, wie funktioniert die eigentlich genau?

Doch nicht nur in magischen Angelegenheiten ist etwas Fingerspitzengefühl nötig, sondern auch bei der Verwendung verschiedener Kulturen, besonders wenn es nicht die eigene ist. Hier bitte mit Respekt vorgehen!

Besonders beliebt sind meistens jedoch Welten, die sich lose an ein mitteleuropäisches Mittelalter anlehnen, das allerdings oft mehr Ähnlichkeiten mit einem Märchen der Gebrüder Grimm hat als der historischen Wirklichkeit. Logikbrüche sind dabei nicht weiter relevant, es gibt nur eine Stadt mit einem König und Stahl ist bei Bedarf rostfrei. Auf der anderen Seite recherchieren einige AutorInnen jedes historische Detail für den Hintergrund ihres Romans, entwickeln Sprachen, Gesellschaftsformen und Klimazonen für ihre Fantasywelt.

Hier die Balance zu wahren ist alles andere als einfach. Fachliche Recherche und gründlicher Weltenbau ist wichtig für einen sinnvollen, stimmigen Hintergrund, aber es ist auch möglich, sich beziehungsweise den eigenen Roman totzurecherchieren.

Denn leider, leider passen nachher gar nicht alle Details der mühsam erdachten Welt auch in den Roman. Also kommen viele Seiten Weltbeschreibung ins Buch, damit die ganze Arbeit nicht umsonst war. Mitunter ufert dieser Hintergrund jedoch so aus, dass er mit dem Plot nicht mehr zusammenzubringen ist, die Handlung bremst und das Buch aufbläht. Manchmal wird es regelrecht langweilig, wenn man eigentlich wissen will, wie es mit dem verfluchten Amulett weitergeht und ob der Held seinen Geliebten küsst, aber erst einmal drei Seiten über Architektur zu lesen bekommt.

Da ist es viel besser, wenn ihr die Sprachen, Zusatzkarten, ausführlichen Pflanzenbeschreibungen und alle anderen Hintergrundinformationen aus der Romanhandlung herausnehmt. Verpackt sie in einen schönen Anhang, der hinten im Buch auf das Publikum wartet oder bietet sie den LeserInnen auf euren Social-Media-Kanälen an.

Aber muss das sein? Kann nicht doch die Magie …?

Ganz ehrlich, entscheidend ist beim Bau einer Fantasywelt letztlich eins: Die Welt muss in sich stimmig und plausibel sein. Sie muss in sich funktionieren, ob sie jetzt historisch nahezu korrekt ist oder voller fliegender Vogelmenschen.

Eure Welt, eure Regeln. Aber haltet euch an die Regeln, die ihr für eure Schöpfung aufstellt. Und bitte langweilt eure LeserInnen nicht.

Und der Plot?

Eine der Besonderheiten der Fantasy ist, dass es nicht das ein Plotelement gibt, das unbedingt dazu gehört. Ein Krimi funktioniert nicht ohne Verbrechen und ein Liebesroman nicht ohne Gefühle.

Fantasy braucht Übernatürliches, aber das diktiert den Plot nicht. Auch eine Welt mit Vampiren oder Drachen verschiedener Größe ist Fantasy, auch wenn das Buch sonst eher ein Liebesroman ist.

Als besonders typisch gelten Heldengeschichten, die den Aufstieg vom armen Bauernjungen zum Drachenreiter oder König erzählen oder die Abenteuer einer jungen Frau, die durch ein magisches Portal eine fremde Welt betritt und auserwählt wurde, diese zu retten. Auch epische Schlachten und Liebesgeschichten zwischen einer menschlichen Frau und einem übernatürlichen Wesen wie einem Vampir oder Werwolf sind weit verbreitet.

Kommt euch bekannt vor? Ja, mir auch, weil diese Geschichten in der Fantasy in zahlreichen Varianten immer wieder erzählt wurde. Manchmal wird der Plot dabei sogar richtig dünn und verkommt zu einer einzigen Klischeenummer. Prinz küsst Prinzessin wach und sie beschwert sich nicht einmal, dass sie ein wildfremder Kerl geküsst hat, sicher?

Ganz ehrlich, ihr könnt es besser machen. Es spricht nichts gegen die vertrauten Pfade, ich habe sie auch schon verfolgt. Doch die Geschichte wird einzigartiger, unverwechselbarer, wenn sie sich abhebt und nicht alles so macht, wie es als „klassisch“ gilt. Vielleicht hat der Bauernjunge Höhenangst und traut sich nicht auf den Drachen, die auserwählte Weltenretterin glaubt nicht an Prophezeiungen und wie wäre es mit der Liebesgeschichte an der High School mit einer attraktiven Nixe statt des superheißen Werwolfs?

Ja? Nein? Erstmal in Ruhe drüber nachdenken? Auch gut.

Letztlich gilt für den Plot in der Fantasy, was auch für die Welt gilt: Er muss in sich plausibel sein. Magie ist wie oben schon angedeutet leider kein besonders guter Kleber für Plotlöcher.

Aber es gibt keine strenge Regel, dass ein Buch nur dann Fantasy ist, wenn mindestens eine Schlacht, ein Schwert, ein Magier mit Rauschebart und eine Prophezeiung darin auftauchen. Letztlich ist fast jeder Plot aus jedem Genre möglich, es gibt Krimis mit magischen Verbrechern und zaubernden Ermittlerinnen und Liebesgeschichten mit mindestens einem übernatürlichen Wesen füllen ganze Regalbretter im Buchhandel. Also, frohes Schreiben!

Fantasy ist dankenswerterweise immer für Handlungselemente anderer Genres offen. Sie stellt ihren AutorInnen aber auch Fallen, indem sie sie glauben lässt, sie sei recherchearm und die Welten ließen sich mal eben so nebenbei beschreiben.

Trotzdem ist es ein großartiges Genre, denn wo sonst bieten sich so viele fantastische Möglichkeiten, lassen sich neuartige Gesellschaftsmodelle ausprobieren und verschiedene wunderbar verrückte Ideen miteinander mischen? Außerdem gibt es Drachen.


Zur Autorin

Marie Mönkemeyer, Jahrgang 1984, wuchs in der norddeutschen Tiefebene auf und lebt mittlerweile mit Mann und Büchern im Rhein-Main-Gebiet. Obwohl sie bereits mit 15 beim bundesweiten Wettbewerb Schüler schreiben einen Preis gewann, entschied sie sich dafür, in Berlin Geschichte und Klassische Archäologie zu studieren. Zwei Jahre war sie angestellte Redakteurin für Deutschland erfolgreichstes Fantasy-Rollenspiel Das Schwarze Auge, dort betreute sie unter anderem das Kundenmagazin Der Aventurische Bote.
2017 machte sie sich als Autorin und Übersetzerin (Englisch > Deutsch) selbstständig. Ihr erster Fantasy-Roman Kurs Südmeer erschien 2018 und spielt in der Welt des Schwarzen Auges. In ihrer spärlich gesäten Freizeit schreibt sie für das Phantastik-Webmagazin Teilzeithelden und zieht Basilikum in ihrer Küche. Weitere Informationen zur Autorin und ihren Büchern gibt es auf ihrer Webseite.

Geschrieben von

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