4. März 2020 /

Stiller und Stiller

Write it your way: „Writer’s Café“

Schreibmaschine und der Text "Write it your way: Writer's Café"

„Write it your way“ ist unsere neue Tech-Reihe mit dem Autorenduo Stiller & Stiller. Als eingefleischte Selfpublisher haben die beiden schon das ein oder andere Schreibprogramm getestet. Heute geht es um das kostenpflichtige Programm „Writer’s Café“.


Zu unserem Favoriten, was szenenbasierte Autorensoftware angeht, hat sich das englische Writer’s Café entwickelt. Mit diesem Programm lässt sich (fast) der gesamte Workflow bis zum gedruckten Buch abbilden, und es ist das optimale Werkzeug zum Plotten einer Geschichte.

Überblick

Writer’s Café läuft auf Windows, Linux und Mac, allerdings nicht mehr ab Catalina (10.15), weil Apple es nicht hinbekommt (oder nicht will), abwärtskompatibel zu sein. Unter Linux und Windows sind solche Probleme weitgehend unbekannt. Wir arbeiten mit Writer’s Café auf Windows 10 (vorher 7) und haben es sogar auf dem steinalten XP getestet. Das Programm läuft extrem stabil, ist sehr ressourcenschonend und nebenbei auch komplett vom USB-Stick lauffähig. Die Lizenz besteht in einem personifizierten Schlüssel, für den es keine Online-Verbindung braucht – klasse!

Hauptfenster

Das Hauptfenster. Die drei Szenen (grüner, gelber, roter Handlungsstrang) im Outliner finden sich auch in der Timeline.

Die meiste Zeit wird der Schriftsteller im StoryLines-Tab verbringen, der alle für das Schreiben notwendigen Werkzeuge bietet. Den linken Teil nimmt der übliche Kapitel-Szenen-Baum ein, der auch eine tiefere Gliederung erlaubt. In der Navigation lassen sich Szenenkarten per Drag & Drop umhängen. Verknüpft damit ist die sensationell gute Timeline im unteren Bereich: Hier werden die Szenenkarten auf den Handlungssträngen – von denen es beliebig viele geben kann – verteilt. Zusätzlich gibt es den schwarzen Master-Strang, der letztlich den Ablauf der Romanszenen abbildet.
Ganz unten findet man den farbig kodierten Navigatorstreifen, der immer das ganze Projekt abbildet und mit dem man Szenen direkt anspringen kann. Wer stets den vollen Überblick über seinen Roman behalten will, wird von keinem anderen Szenenprogramm so verwöhnt.

Prunkstück StoryLine

In der Zeitleiste selbst ist, wie das Meiste in Writer’s Café, fast alles konfigurierbar. Jeder Strang (inkl. Master) lässt sich einzeln ein- bzw. ausblenden, ebenso die Navigationsleiste. Hintergründe, Farben, Fonts und – ganz wichtig – die Größe der Szenenkarten lassen sich auf den Nutzer anpassen. Für die, die nicht gerne horizontal scrollen, lässt sich die Timeline sogar umbrechen. Wenn der Platz immer noch nicht reicht, kann man Kapitel in der Zeitleiste einklappen, sodass nur ein senkrechter Balken übrigbleibt. Ein weiteres Schmankerl ist, dass die Kapitel- und Szenentitel in der Timeline angezeigt werden.

Formatvorlagen

Wer will, kann im Texteditor mit selbstangelegten Formatvorlagen fast das gesamte Layout des Buches bestimmen.

Den rechte Teil des Hauptfensters belegt der Texteditor, der sich mit F8 auch vollständig abkoppeln und so beispielsweise auf einen zweiten Monitor verschieben lässt. WYSIWYG ist in Writer’s Café weitreichend verwirklicht. Es lassen sich eigene Sets von Formatvorlagen erstellen, die sich dank des modularen Aufbaus des Programmes auch in weiteren Projekten weiter verwenden lassen.

Writer’s Café arbeitet mit Workspaces, die neben der StoryLine auch ein Pinboard und Recherchetools eines Projekts zusammen abspeichern. So lässt sich eine einheitliche Formatvorlage mit Personendatenbank (z.B. für eine Romanreihe) mit immer neuen Recherchesammlungen, Tagebüchern oder Pinboards für eine neue Folge der Reihe kombinieren. Das bietet sonst kein Programm.

Projekt
In das Projekt (=Workspace) „Maschine“ ließe sich auch die Recherche (Scrapbook) eines anderen Romanprojektes einbinden.

Recherche und Plotting

In puncto Recherche verfügt Writer’s Café über mächtige Werkzeuge. Die Dokumentensammlung heißt hier Scrapbook. Dort lassen sich nicht nur Texte, Bilder und Weblinks ablegen, die mit dem integrierten Browser aufgerufen werden können, sondern auch Dateilinks. Zusätzlich kann man Flussdiagramme / Organigramme erstellen, wie zum Beispiel das Beziehungsgeflecht der Charaktere. Weitere Recherche-Tools sind das Journal, ein Tagebuch mit Kalender, und ein Notizbuch.

Scrapbook

Das Scrapbook ist die Sammelstelle für Rechercheergebnisse und verfügt über einen eigenen Browser.

Nicht zu unterschätzen ist auch das Pinboard, ein „schwarzes Brett“ für Notizzettel und Bilder. Hier lassen sich die Elemente sogar übereinanderlegen, sodass man die benötigte Karte mit der Maus „hervorziehen“ oder durch Anklicken in den Vordergrund bringen kann. Dabei ist die Größe des Pinboards theoretisch unbegrenzt; nur Arbeitsspeicher und Grafikkarte müssen mitspielen. Der Fensterausschnitt kann mit der Maus verschoben werden. Bei uns geht das auf einem 4GB-PC sogar mit einem 4K-Monitor.

Pinboard

Das Pinboard ist eine komfortable Ablage für Bilder und Textschnipsel und wird nur vom Arbeitsspeicher begrenzt.

Ein wichtiges Werkzeug für das Plotten ist eine ordentliche Datenbank. Und die ist in Writer’s Café so gut umgesetzt, wie wir es sonst nur noch von Papyrus (da noch umfangreicher) kennen. Vorgefertigt sind Eingabemasken für Charaktere und Örtlichkeiten. Felder lassen sich editieren, löschen und priorisieren, wenn man etwa nach Vornamen sortieren möchte. Die Anlage eigener Datenfelder ist kinderleicht und weitgehend selbsterklärend. Natürlich können auch eigene Datensätze mit selbsterstellten Eingabemasken angelegt werden, zum Beispiel für Recherchedokumente oder im Text vorkommende Objekte oder Ereignisse.

Datenbank

Die komfortable Figuren- und Location-Datenbank lässt sich weitreichend anpassen.

Exportfunktionen

Viel Mühe wäre umsonst, wenn all die schönen Formatierungen beim Export des Buchprojektes verloren gingen. Doch Writer’s Café lässt den Autor nicht im Stich. Was im Reportfenster (welches sich jederzeit ohne Export aufrufen lässt) zu sehen ist, wird auch in die entsprechende Datei geschrieben – in LibreOffice bleiben sogar die Namen der Formatvorlagen erhalten.
Beim Report-Export unterscheidet Writer’s Café zwischen Element Styles und Formatting Styles. Während Letzteres wohl jedem geläufig ist, verlangt Ersteres nach Erklärung: Hier werden die zu druckenden Inhalte (nur der Romantext oder Text mit Anmerkungen) festgelegt, sowie Seitenelemente und Seitenränder. Solche Elemente sind beispielsweise Kopf- oder Fußzeilen, die sogar formatiert und ausgerichtet ausgegeben werden.

Report

Im Report-Template-Editor lassen sich neben Formatvorlagen auch Seitenvorlagen erstellen.

Fazit

Wir sind restlos begeistert von Writer’s Café. Es ist mit Abstand das vollständigste und stabilste szenenbasierte Autorenprogramm, das uns bekannt ist. Dazu ist es ressourcenschonend und ultraportabel (es gibt sogar eine Installation für PortableApps). Die Workspaces bieten vor allem für Autoren, die gern an mehreren Projekten gleichzeitig arbeiten, Flexibilität und Ordnung. Leider erlaubt es der Platz an dieser Stelle nicht, die weitreichend anpassbaren Backup-Funktionen zu behandeln, doch ein eigener Test mit der Demoversion (sie erlaubt nur eine begrenzte Anzahl von Szenen), ist bei Interesse sowieso dringend empfohlen.

Das Herzstück, die StoryLine, ist ein geniales Plot- und Übersichtstool und schon allein ein Grund, fortan mit Writer’s Café zu schreiben. Man schreibt in einem WYSIWYG-Editor, der sich auf Wunsch in ein externes Fenster legen lässt, und die Formatierungsfunktionen sind eines Word oder LibreOffice würdig. Gleiches gilt für die zahlreichen, sehr tief konfigurierbaren Exportfunktionen, die wir hier nur anreißen konnten. Ebenso verhält es sich mit den Datenbankfunktionen. So flexibel und umfangreich kann das kaum ein Schreibprogramm. Mit Notizbuch, kalenderbasiertem Tagebuch, Pinboard und dem flexiblen Scrapbook wird dem recherchefreudigen Autor alles geboten, was er braucht.

Und das Beste zum Schluss: Writer’s Café kostet 30 Euro plus Mehrwertsteuer.

http://writerscafe.co.uk/index.htm

Ein ganz persönlicher Kommentar:

Dass Apple auf Abwärtskompatibilität pfeift ist schade… spätestens seit Android sind wir so etwas ja leider gewöhnt: Die App verlangt ein neues Handy, denn ein neueres Betriebssystem lässt sich nicht installieren. Man soll schließlich neue Hardware kaufen! Wir kennen solche Probleme auch von befreundeten Fotografen, Cuttern, Musikern und Videokünstlern. Da muss ein neuer Computer gekauft werden, weil die aktuelle Version der Schnitt-/Aufnahmesoftware nicht mehr auf dem älteren Betriebssystem läuft, ein moderneres Betriebssystem sich aber auf der „alten“ Hardware nicht installieren lässt. Wie man diese Geschäftspolitik bewertet, bleibt jedem selbst überlassen. Tatsache ist, dass an sich hervorragend funktionierende Computer unbrauchbar werden, weil der Hersteller das so will – und er kommt damit durch. Die Umwelt dankt (wenn der Geldbeutel schon egal ist).
Dass es auch anders geht, zeigen Windows und Linux. Wir sind beileibe nicht als Microsoft-Freunde bekannt, doch Fakt ist: Wir schreiben auf 10 bis 15 Jahre alten PCs und haben erst letztes Jahr auf Windows 10 upgedatet, ohne irgendwelche Performanceverluste und es gab so gut wie keine Kompatibilitätsprobleme (Anm. Barry: im Musikbereich verwende ich Software, die teilweise von 1998 stammt). Das mag bei Gamern – völlig zu Recht, denn die gehen an die Grenzen der Hardware – völlig anders aussehen, doch wir als Schriftsteller werden die Geräte weiter benutzen. In einigen Jahren wird Windows X kommen… und auch dann wird eine Menge Software immer noch laufen – jede Wette. Bei all dem so pathetisch nach außen getragenen Engagement für Umwelt und Ressourcen darf man darüber nachdenken, ob man sich zu völlig überflüssigem Konsum erpressen lassen sollte.


Zu den Autoren

Während der Studienzeit in Köln, begannen Dana und Barry die Arbeit an ihrem ersten gemeinsamen Roman INFORMIUM – Tödliches Experiment. Es folgte mit GREEN MAMBA – Schatten des Todes ein DDR-Thriller, der 2018 auf die Shortlist für den Indie Autor Preis der Leipziger Buchmesse kam. Aktuell arbeiten  Stiller & Stiller an der archäologischen Krimireihe Ein Fall für Peter Conrad.

Geschrieben von

Stiller und Stiller

Dana Stiller studierte Ägyptologie und Frühgeschichte, sowie die Archäologie Mesoamerikas und Keltische Sprachen. Es folgte ein Mathematik- und Anglistikstudium. Barry Stiller ist Journalist und arbeitete nach der Zeit bei einem privaten TV-Sender als Redakteur für Publikumszeitschriften in München. Danach schrieb er für ein Musikermagazin in Köln. Ende der 90er Jahre studierte er Ur- und Frühgeschichte und mesoamerikanische Archäologie.

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