10. Juni 2024 /
Lea-Marie Wild
Die Arbeit im Kinderhospiz: Unser NCP-Drittplazierter engagiert sich
Michael Cremann erreichte beim Newcomerpreis 2023 als Co-Autor den dritten Platz. Mit seinem Buch „Vents – Schwarzer Sand“ hat er uns in fremde Welten entführt. Doch Michael ist nicht nur Geschichtenerzähler, sondern auch Fundraiser für die Deutschen Kinderhospiz Dienste – und nutzt jeden Kontakt, den er hat, um den todkranken Kindern und Familien zu helfen. Um Aufmerksamkeitkeit für das sensible Thema zu schaffen, begleitet er uns im Laufe der Themenwoche hier auf dem Blog und auf Instagram – und schenkt uns wichtige Einblicke in die Deutschen Kinderhospiz Dienste. Wie begleiten diese das – oft noch lange – Leben eines Kindes ab der Diagnose? Wie ist es möglich, dass Familien in jeder Lebenslage Hilfe bekommen können? Und wie kannst auch du helfen?
Diese Fragen beantwortet er uns im folgenden Interview.
Das wichtigste zuerst: Was ist Kinderhospizarbeit?
Ein Vater hat mir mal gesagt:
„Als wir die Diagnose bekamen, habe ich mich gefühlt wie auf einem Segelschiff, mit mir am Steuer und mit meinem kranken Sohn, seiner Schwester, meiner Frau, mit Oma und Opa, der ganzen Familie unter Deck. Die Diagnose war wie ein Sturm, der über uns hereinbricht. Und meine Frau und ich sind dafür verantwortlich, dass wir sicher in den Hafen kommen. Aber wir haben keine Ahnung, wie man segelt.
Der Kinderhospizdienst war wir ein Lotse für uns. Er kam an Bord und packte zu, half wo es nötig war und übernahm auch mal das Steuer. Dadurch wussten wir: Es wird nicht gut ausgehen – mein Sohn wird sterben – aber wir werden im Hafen ankommen und das Schiff – die Familie – wird nicht zerbrechen.“
Und ich glaube damit ist Kinderhospizarbeit verständlich erklärt.
Warum sind Kinderhospizdienste so immens wichtig?
Mit der Diagnose einer lebensverkürzenden Erkrankung eines Kindes fällt die ganze Familie in ein tiefes Loch. Mit der Krankheit und dem Pflegeaufwand gehen meist Soziale Isolation, Überforderung und dadurch Verzweiflung einher. Die Familien werden von der Gesellschaft nicht gesehen, sie leben in dem, was wir das Dunkelfeld nennen.
Hier setzt die Kinderhospizarbeit an und hilft, wo es nötig ist. Wir erhellen das Dunkelfeld, finden also die Familien, gehen auf sie zu und bieten ihnen Hilfe an.
Gut ausgebildete ehrenamtliche Mitarbeitende begleiten die schwerkranken Kinder und Jugendlichen in ihren Familien. Auch für Geschwisterkinder und Eltern ist eine Begleitung möglich und oft sinnvoll – während der Erkrankung, aber auch über den Tod des betroffenen Kindes hinaus. Die Ehrenamtlichen schaffen so zusätzliche Lebensqualität und Lebensfreude in den Familien.
Das gesamte Hilfsnetzwerk der Kinderhospizarbeit von stationären Kinderhospizen, über Beratungsdienste und Unterstützung bei Konflikten mit Kostenträgern bis zu spezialisierten Pflegediensten wird den Betroffen zugänglich gemacht. In der Geschwistergruppe treffen sich die Geschwister von todkranken und auch bereits verstobenen Kindern. Hier stehen die Geschwister im Mittelpunkt – mit ihren Bedürfnissen, Erfahrungen und Fragen. Auf Wunsch wird nach dem Versterben des Kindes die Familie durch die Trauer begleitet. Durch die ehrenamtliche Begleitung von Teilen oder der gesamten Familie werden die Betroffenen entlastet und dadurch das Familiensystem stabilisiert.
Wie sieht deine Arbeit für die Deutschen Kinderhospiz Dienste aus?
Ich arbeite als Fundraiser.
In unseren ambulanten Kinderhospizdiensten arbeiten Koordinatorinnen, die Ehrenamtliche in einem 100-stündigen Kurs ausbilden, ihre Tätigkeit unterstützen und die Familien aussuchen, die die Ehrenamtlichen dann besuchen. Diese schenken dann pro Woche zwei bis drei Stunden ihrer Zeit, in denen sie für das erkrankte Kind, ein Geschwisterkind oder auch ein Elternteil da sind. Dabei ist je ein*e Ehrenamtliche einer festen, zu begleitenden Person zugeordnet. Diese Begleitung – gerade der Kinder – ermöglicht es den Eltern durchzuschnaufen und selbstverständliche Dinge des Alltags, wie Duschen oder Einkaufen zu erledigen, in dem Wissen, dass ihr Kind in guten Händen ist.
Meine eigene Arbeit besteht daraus Geld für diese Tätigkeiten zu sammeln, denn die Krankenkassen übernehmen nur einen Teil der Finanzierung der Begleitung todkranker Kinder. Bei Geschwisterbegleitungen und der Unterstützung der Eltern zahlen sie gar nicht. Die Ehrenamtlichen schenken schon ihre Zeit, sollen also nicht auch noch finanziell belastet werden. Folglich benötigen wir Spenden, um die Aus- und Weiterbildung der Ehrenamtlichen, ihre Fahrtkosten, ihre psychologische Supervision und die Kosten für Ausflüge mit den Kindern übernehmen zu können. Darüber hinaus zahlt die Krankenkasse nur für bereits bestehende Begleitungen. Das heißt, für uns, die wir es als unsere Pflicht ansehen, die Familien niedrigschwellig zu erreichen, sodass möglichst viele unter den 100.000 unser Angebot wahrnehmen können, dass wir viel Geld brauchen. Nur so können wir die Ansprache am richtigen Ort, zur richtigen Zeit und auf emotional angemessene Art für jede Familie gestalten. Weiterhin müssen wir die Kosten der Neuaufnahme der Familien und der Begleitung im ersten Jahr aus Spenden aufbringen.
Ich sorge für dieses Geld. Von außen betrachtet sitze ich also „langweilig“ am Schreibtisch und verfasse Briefe, die an potenzielle Spender*innen gehen, spreche mit Unternehmen oder Stiftungen, besuche Vernetzungsveranstaltungen und organisiere unser Online-Fundraising. Dabei hilft mir ein Stab aus weiteren Fundraiser*innen, die jeweils einen eigenen Arbeitsschwerpunkt haben.
Über Michael Cremann – Autor, Podcaster, Fundraiser
Wie kam es dazu, dass du für die Deutschen Kinderhospiz Dienste arbeitest?
Mein Freund und Co-Podcaster Moritz, der zu dem Zeitpunkt bereits bei den Deutschen Kinderhospiz Diensten arbeitete, sprach mich an, weil dort jemand gesucht wurde, der sich des Fundraisings annehmen könnte. Quereinstieg ist in der Branche völlig normal und nachdem ich erfahren hatte, wofür dort gearbeitet wird und wie viel Gutes eine Begleitung für die Familien bedeutet, war ich sofort Feuer und Flamme. Folglich bin ich so schnell es ging aus meinem bisherigen Job ausgestiegen und noch im Dezember 2021, mitten in der heißen – weihnachtlichen – Phase des Fundraisings an Bord geklettert.
Welchen Einfluss hat dein Engagement für die Deutschen Kinderhospiz Dienste auf deine Arbeit als Geschichtenerzähler und Autor?
Die unglaubliche Stärke der Eltern, der Geschwisterkinder, der todkranken Kinder, die ich immer wieder erleben darf, zeigen mir, wie viel Menschen in Ausnahmesituationen leisten können. Das inspiriert mich dazu, auch meinen Figuren diese Stärke zu geben. Außerdem lässt es mich vom stereotypischen Bild des Helden abweichen: Die Menschen, die wir begleiten sind weder groß noch muskulös noch königlich oder sonstwas. Aber sie sind Helden.
Sind zukünftige Buchprojekte geplant?
Aber sicher! Schreiben ist für mich Entspannung und Runterkommen. Aktuell schreiben wir an Vents II und gerade vor kurzem ist Distancia – Pogo und Portale von unserem Freund Attarius erschienen.
tolino media x Deutsche Kinderhospiz Dienste
Wie kann Literatur Kinder und Erwachsenen bei der Bewältigung von belastenden Situationen helfen?
Für nicht betroffene Erwachsene sind Erfahrungsberichte von Eltern, Angehörigen und erwachsenen Geschwisterkindern ein Einblick in die Gefühlswelten der Betroffenen, der ihnen im direkten Kontakt ein besseres Verständnis der Situation ermöglicht. Darüber hinaus kann es in einer akuten Situation auch für Betroffene stützend sein, Erfahrungen und Tipps aus den Erlebnissen anderer mitnehmen zu können.
Für Kinder sind Bücher speziell zu den Themen schwerer Krankheiten und Tod hilfreich, um altersgerecht über ihre Fragen informiert zu werden.
Wir haben gesehen, dass auch euer treuer Unterstützer HOPE gern liest und Briefe verschickt. Könntest du ihn kurz vorstellen und uns Näheres hierzu verraten?
Wir haben einfach mal seine „Fans“ in den Sozialen Medien gefragt, wie sie unseren Bärenbotschafter Hope am ehesten Beschreiben würden. Die Antworten waren einfach: „Hope hat ein großes Herz, eine starke Symbolwirkung, dabei ist er bärig, besonders flauschig und stets voller Hoffnung, weil es seine Lebensaufgabe ist diese/unsere Themen in die Öffentlichkeit zu tragen.“
Hope unser Bärenbotschafter ist sowohl bei meinen Kolleg*innen als auch nach außen, als Tür- und Herzensöffner aktiv. Außerdem will er mit auf jedes Foto, das bei den Deutschen Kinderhospiz Diensten gemacht wird.
Und ja unser Hope liest in der Tat sehr gerne, denn das Lesen ist ein Teil der Kommunikation. Sei es in den Sozialen Medien auf seinen Kanälen oder auch ganz klassisch mit einem handgeschriebenen Brief oder einer Postkarte. So bekommt er neben Briefen auch oft Bücher von Autorinn*innen zugeschickt, zum Beispiel besondere Kinderbücher die sich mit unseren Themen auseinandersetzen, diese stellt er dann gern vor.
Augen und Herzen auf: In der Woche vom 10.06.-16.06.24 findet die Themenwoche rund um die Deutschen Kinderhospiz Dienste statt. Michael Cremann besucht uns auf unserem Instagramkanal und Bärenbotschafter Hope und tolino medias Sharkira versorgen euch mit Buchtipps für die Kleinen!
Wie kann ich helfen?
Aufmerksamkeit ist unser wichtigster Helfer. Alle Menschen, die von Kinderhospizarbeit wissen und verstehen, wie sie funktioniert, können Multiplikatoren sein.
Oft hilft schon ein einfacher Hinweis, ein weitergeleiteter Link zu unserer Seite, oder ein Flyer, um betroffene Familien, denen man begegnet den Zugang zu Hilfe zu ermöglichen. Das bedeutet aber nicht, dass ihr auf die Suche nach Familien gehen sollt. Das überlasst gern den Profis. Damit wir das Dunkelfeld erhellen können, damit wir die 100.000 Familien erreichen und damit wir sie genau so ansprechen können, wie sie es brauchen, brauchen wir Spenden. Wenn ihr das hier also lest, folgt unserem Link zu eurer Spende, sammelt für uns, erzählt von uns. Das hilft am meisten!
Weitere Informationen über die Kinderhospizdienste findet ihr auf Instagram unter @deutschenkinderhospizdienste und @hope.kommt.rum sowie auf ihrer Webseite.
Geschrieben von
Lea-Marie Wild
Lea-Marie Wild arbeitet als Werkstudentin bei tolino media und studiert Literaturstudien im Master. In ihrer Freizeit schmökert sie am liebsten englischsprachige Romane im Grünen.
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